I. Grocherie
Ich gehe unheimlich gerne einkaufen. Bisher war das jedenfalls so. Ich liebe Supermärkte (vor allem die in Frankreich), Warenhäuser, kleine Krämerläden, beim Shoppen kann ich ganze Samstage verbringen. Jetzt bin ich also im Traumland aller Einkäufer angekommen. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich darf shoppen, auch am Sonn- oder Feiertag. Shop ’til you drop, und ich freu’ mich darauf!
Aber Shoppen ist hier eine Kunst, oder eine Begabung ja gar Gnade, die ein Mensch hat oder nicht. Es gibt gute und schlechte Shopper und zeitweise habe ich geglaubt man braucht einen Ph.D. um hier günstig einkaufen gehen zu können. Eines vorausgeschickt. Shoppen ist anstrengend und enorm zeitintensiv. Auch wenn man nur eine Gallone Milch kaufen will, braucht man dafür 30 Minuten im Supermarkt. Okay, im „Convenience Store“ an der Ecke kostet die Milch 20 Cent mehr, dafür hat man aber auch 20 Minuten seiner kostbaren Zeit eingespart.
In Deutschland hatten wir kein Auto, d.h. wir waren nie die „wir kaufen einmal die Woche ganz groß ein“ Shopper, sondern haben fast täglich eine kleine Ration an Lebensmitteln besorgt. Der Zeitaufwand war identisch: sechsmal 10 Minuten, oder eine Stunde zum Samstagseinkauf.

Hier ticken die Einkaufsuhren anders:
Wenn mein Einkaufskorb nur mit wenigen Dingen gefüllt ist, bin ich trotzdem nicht schnell wieder raus aus dem Supermarkt, denn alle anderen besorgen Van-füllende Portionen Ham, Milch, Brot und Gemüse.
Ach ja, das Gerücht es gäbe kein frisches Gemüse in den USA und insbesondere nicht in den Supermärkten ist absolut aus der Luft gegriffen. Es gibt reichlich von allem, die Qualität ist gut, nur man kann sich das Gemüse evtl. nicht leisten, da es im Vergleich zu den Preisen in deutschen Super- oder Wochenmärkten astronomisch teuer ist. Aber es gibt Alternativen zum Supermarkt.
Für Boston ist dies der Haymarket. Freitags und samstags findet nahe der alten Interstate 93 (hey, diese Angabe ist veraltet. Die alte Interstate gibt es nicht mehr!) ein Gemüse- und Obstmarkt statt, auf dem die Waren immer in Dollarportionen verkauft werden. Z.B. 4 rote Paprika für einen Dollar (im Supermarkt locker das vierfache des Preises). Doch der Haymarket hat seine eigenen Gesetze. Waren dürfen in der Regel nicht angefasst werden, wenn es dem Händler nicht passt, verkauft er einfach nichts, die Preise fallen mit Dauer des Marktes (Aber, Vorsicht: auch die Qualität lässt dann zu wünschen übrig) und die Waagen sind wahrscheinlich noch Originale aus den Tagen des ersten Haymarkets von vor über 200 Jahren.
Der Haymarket ist international
Der Haymarket ist international. Im heutigen Sinne ist er eher unamerikanisch. Und den typischen Amerikaner trifft man hier eigentlich auch nicht. Es gibt keine Einkaufswägen, keinen Parkplatz und auch sonst ist der Haymarket nicht convenient. Zwischen der Großbaustelle des Big Dig und den Straßenzügen zwischen T-Station und Quincy Market spannen sich zwei Reihen Stände mit Obst und Gemüse, Fisch, Fleisch und Brot auf. Die Kunden, meist asiatischer und europäischer Herkunft, drängen sich dicht an dicht. Wechselgeld ist nicht das, was Händler gerne bereithalten, also ist es vorteilhaft ein Bündel Dollarnoten mitzubringen und diese, direkt mit der Äußerung des Kaufwunsches über den Stand zu reichen. Das beschleunigt das Einkaufen enorm. Wie soll der Händler sonst wissen, welcher Kunde der Nächste in der Reihe sich drängelnder Personen ist. Haymarket Kunden sind leicht an der riesigen Anzahl neutraler Plastiktüten zu erkennen, die sie schwer zur T-Station schleppen, oder in kleinen Handwagen transportieren. Nicht wirklich das, was man in besseren Wohngebieten gerne sieht.
2025 gibt es den Haymarket immer noch. Es hat sich – bis auf das Fehlen der I-93 – nichts geändert. Ich bin nicht sicher, ob es die in einer Art Keller gelegenen Bäckereien noch gab. Mein Fehler, bin ich dieses Mal doch nur als Touristin am späten Freitagnachmittag über den Markt gegangen. Und doch: Das alte Haymarket-Gen wurde sofort aktiviert. Die letzten drei Dollar Bargeld habe ich in Trauben und Melonen investiert. Wir haben uns an diesem Tag noch recht gut ernährt :-).
Papiercoupons sind bares Geld
Aber wieder zurück zum Einkaufsalltag zwischen Brands und Shaw’s Card und der untrüglichen Gewissheit, dass die Butter letzte Woche nur halb so teuer war wie heute.
Seit wir in den USA angekommen sind, verbringe ich viel Zeit damit den Boston Sunday Globe zu studieren. Sicher, die Artikel sind sehr gut, die Comics sonntags farbig, aber das eigentliche Ziel dieses Studiums ist das Ausschneiden sogenannter Manufakterers Coupons.
Dicke Beilagen lassen den Globe am Sonntag auf sein dreifaches Volumen anschwellen (er kostet dann auch 2,50$ statt der üblichen 50 cent). In den prächtigsten Farben preisen die großen Kaufhäuser und Lebensmittelketten die Angebote für die nächste Woche an. Dazwischen tummeln sich die Beilagen mit den Herstellercoupons. Jeder Coupon ist 1 Dollar (manchmal auch mehr) wert. Und dieses Stückchen Papier ist bares Geld. Coupon ausschneiden, entsprechende Ware einkaufen, zur Kasse gehen und 1 Dollar weniger bezahlen. TOLL!

Aber auch hier sind Fallstricke versteckt. Die Coupons sagen ganz genau welche Waren um einen Dollar günstiger sind. Meist muss man zwei Einheiten kaufen oder eine bestimmte Packungsgröße beachten (z.B. get one Dollar off on any two XY orange juice (value for boxes more than 64oz)). Hat man die richtige Ware erstanden kann man wirklich Schnäppchen machen. Z.B. zwei große Flaschen Markenshampoo für 99 cent. Natürlich hat man vorher die Zeit investiert alle Coupons zu sammeln. Ach ja, bitte nicht zu Hause vergessen oder gar ins Altpapier legen und dann im Supermarkt fluchen angesagt.
Neben den Manufakterers Coupons gibt es dann noch die Kundenkarten der einzelnen Großhandels-Ketten.
Ohne diese zu besitzen, sind die Preise der Supermarktketten wirklich nur als Mondpreise, oder zufällig festgelegte Preise aufzufassen. Dinge, kosten das drei- bis vierfache, für Kunden, die keine Karte besitzen. Eine Karte zu bekommen ist dafür aber super einfach. Postkarte ausfüllen und die Kundenkarte sofort mitnehmen. So enden alle Kunden mit einer Sammlung bunter Plastikkärtchen am Schlüsselbund.
Der Preis dafür: Nun ihr Supermarkt weiß haargenau, was sie einkaufen und sendet Ihnen neue Coupons z.B. für die Windeln, die sie immer bei Shaw´s kaufen.


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